DAS HEMD DES GLÜCKLICHEN

HANS-OTTO-THEATER POTSDAM

Regie: Robert Neumann
Bühne, Kostüm, Tierplastik und Videoanimationen: Silke Pielsticker

Premiere: 13.09.2016

http://www.hansottotheater.de/junges-theater/junges-theater-2016-2017/das-hemd-des-gluecklichen/

 

 

 

Presse:

Knallbunte Schattenbilder

Die Inszenierung von „Das Hemd des Glücklichen“ am Hans Otto Theater überzeugt als cleveres Märchen mit mehreren medialen Ebenen

Auf einmal steht der König kopf. Einfach so läuft er – leise vor sich hin grummelnd – oben am Himmel lang, macht dann kehrt an einer unsichtbaren Ecke, um im nächsten Moment schon wieder den Weg nach unten einzuschlagen. Was wie ausgefeilte Akrobatik klingt […] simple Theatermagie. Und simpel bedeutet an dieser Stelle ganz und gar nicht einfallslos, im Gegenteil: Schatten- und Bilderprojektionen ermöglichen eine Bühne auf der Bühne. Eine kleine nostalgische Schwarz-Weiß-Welt, die nicht nur einen schlichten Gegensatz zu den knallbunt gehaltenen Kostümen bildet, sondern auch in der Kombination von beidem eine zauberhafte moderne Märchenatmosphäre schafft.
Und so kommt Krüss‘ Geschichte, die mit typischen Märchenmotiven die alte Frage um die Definition von Glück behandelt, ganz und gar nicht altbacken daher. […]
Um die Wanderung durch das Märchenreich auf der Bühne darzustellen, hat Bühnen- und Kostümbildnerin Silke Pielsticker eine Wand der Schlosskulisse zur Leinwand umfunktioniert, die sowohl als Projektionsfläche als auch als Schattenwand genutzt wird. Und so begleiten fliegende Hähnchen und Hamburger den schnarchenden Schlaf des Königs, Häuserfronten ziehen an den Wanderern vorbei und zoomen beim Näherkommen an die Eingangstür. Das Schöne dabei: Alle Bilder sind naiv gehalten, erscheinen wie alte Bleistift- oder Kohlezeichnungen aus einem Kinderbuch und vermitteln dem Zuschauer den Eindruck, er würde selbst von einer Seite zur nächsten blättern. Die Schauspieler dürfen ab und zu genau das tun: Umblättern. Mit einer wischenden Bewegung oder einem Schnipsen lassen sie Bilder auftauchen oder veschwinden. Manchmal werden sie sogar selbst zu Bildern, wenn sie hinter der Wand nur noch als stummer Schatten mit einfachen Gesten ihre Charaktere darstellen müssen. Der reiche Kaufmann wedelt dann gönnerhaft mit der Hand, der Minister kommt stolz gestreckt daher und der Küster schlägt fromm das Kreuz. Jede Figur, jede Botschaft ist sofort und schnörkellos erkennbar.
[…]
Überhaupt wird der junge Zuschauer in diesem Stück die ganze Zeit mitgenommen. Durch den multimedialen Einsatz der Bühne gibt es zwischendurch Verschnaufpausen in den ruhigen Bildern. Gleichzeitig baut sich eine freudige Erwartung auf die nächste Szene auf, in der es dann etwa mit einem Quiz zu Vogelstimmen schnell und flippig weitergeht. Die Multimedialität wird gezielt sowie clever eingesetzt und zeigt auf liebevolle Weise, dass man manchmal eben erst alles auf den Kopf stellen muss, um die Welt begreifbar zu machen. (Sarah Kugler)
Potsdamer Neueste Nachrichten, 15.09.2016